Viren

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Vi|ren 〈[ vi:-] Pl. von〉 Virus

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Vi|ren Virus.

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Vi|ren:
Pl. von Virus.

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Viren
 
[v-; lateinisch virus »Schleim«, »Saft«, »Gift«], Singular Virus das, auch (in der Informatik nur) der, -,
 
 1) Biologie: infektiöse, gegen Antibiotika unempfindliche Partikel mit immunogenen Eigenschaften, deren Größe meist zwischen 10 und 450 nm variiert und die meist sphärisch oder kubisch, seltener faden- oder stäbchenförmig gebaut sind. Viren haben keinen eigenen Stoffwechsel, sie sind für ihre Vermehrung auf die Syntheseleistungen der Wirtszelle (Bakterien-, Pflanzen- oder tierische Zellen) angewiesen. Viren können somit als eine besondere Form obligat intrazellulärer Parasiten angesehen werden, die nach heutiger Definition keine Lebewesen sind.
 
 
Der Virenkern (Nukleoid; Core) besteht aus Nukleinsäuren, wobei immer nur eine Art (DNA oder RNA) vorhanden ist (lebende Zellen besitzen stets beide); diese ist immer von einer Proteinhülle (Capsid) umgeben, die ihrerseits aus Untereinheiten (Capsomeren) besteht und im einfachsten Fall eine Röhre aus helikal angeordneten Proteinmolekülen ist; bei den isometrischen Viren ist das Capsid ein kugeliges Polyeder, bevorzugt ein Ikosaeder (Zwanzigflächner) z. B. bei Adenoviren. Das Capsid hat Schutzfunktion, ist für die Anheftung an die Wirtszelle zuständig und verfügt zum Teil auch über für die Virensynthese wichtige Enzymaktivitäten; darüber hinaus führt es in Wirbeltieren als Antigen zur Bildung spezifischer Antikörper. Die Einheit aus Core und Capsid, das Nukleocapsid, entspricht meist dem kompletten, infektiösen Virenpartikel (Virion). Bei einigen Virenarten (z. B. Myxoviren; Herpesviren) ist zusätzlich eine aus Lipiden, Polysacchariden und Proteinen bestehende Hülle (Envelope) vorhanden, die überwiegend von der Wirtszelle kodiert wird und sich meist von deren Zell- oder Kernmembran ableitet, zusätzlich aber auch virale Proteine enthält. Bei den Hüllen tragenden Viren dient die Hülle der Anheftung an die Wirtszelle, ihre Entfernung senkt die Infektiosität des Virus drastisch. Virushüllen besitzen oft dornen- oder stachelartige Gebilde (Spikes), außerdem enthalten sie u. a. Hämagglutinine oder auch Enzyme.
 
 
und Virusvermehrung: Bei der Infektion einer Zelle durch Viren können folgende Stadien unterschieden werden: Anheftung (Adsorption), Eindringen (Penetration), Freisetzung der Virusnukleinsäure, Synthese der Virusbestandteile, Zusammenbau des Virusteilchens, Austritt aus der Zelle.
 
Bei der Adsorption bindet das Virus entweder mit dem Capsid oder der Virushülle an spezifischen Rezeptoren der Zellmembran der Wirtszelle, wobei Zellen höherer Pflanzen wegen der aufgelagerten Zellwand nur nach Verwundung (z. B. Anstich durch Insekten) infiziert werden können. Bei Bakteriophagen existieren oft spezielle Mechanismen zur Injektion des Virusgenoms in die Bakterienzelle. Die Anlagerungsproteine sind oft Glykoproteine, die sich an den Spikes der Virushülle befinden, Viren ohne Hüllen binden mit den Capsomeren an die zelleigenen Rezeptoren. Das Eindringen (Penetration) des Virus geschieht durch Endocytose (hier auch Viropexis genannt) oder bei Viren mit Hüllen durch Fusion mit der Zellmembran der Wirtszelle, wobei in der Hülle befindliche Enzyme (z. B. Neuraminidase) eine Rolle spielen. Nach dem Eindringen wird - meist in mehreren Schritten - die virale Nukleinsäure freigesetzt; nach einem kurzen Latenzstadium beginnt die Synthese so genannter Frühproteine, dann die Replikation, danach der Zusammenbau der Virusteilchen. In der Zeit vom Eindringen des Virus in die Zelle bis zum Zusammenbau der neu gebildeten Virionen ist die Virusinfektion nicht nachweisbar (Eklipse).
 
Der Verlauf der Replikation ist bei Viren abhängig davon, ob einsträngige oder doppelsträngige DNA beziehungsweise RNA vorliegt. Bei RNA-Viren mit Einzelstrang-RNA kann unterschieden werden zwischen Viren mit so genannter Plusstrang-RNA, die direkt als m-RNA für die Proteinbiosynthese fungiert, und solchen mit Minusstrang-RNA, die erst durch eine viruseigene RNA-Polymerase in die komplementäre, als m-RNA dienende Plusstrang-RNA umkopiert wird. Bei Viren mit Doppelstrang-RNA dient einer der beiden Stränge als Vorlage für die Bildung einer wiederum als m-RNA dienenden Plusstrang-RNA. Retroviren besitzen zwar auch eine Plusstrang-RNA, diese muss jedoch durch das viruseigene Enzym reverse Transkriptase in DNA transkribiert werden; erst der auf diese Weise synthetisierte DNA-Doppelstrang kann zur Bildung einer m-RNA dienen, oder er wird als Provirus in das Wirtsgenom eingebaut. Auch bei den DNA-Viren verläuft die Replikation unterschiedlich, je nachdem ob Einzelstrang-DNA (Plus- oder Minustyp) oder Doppelstrang-DNA vorliegt, wobei bei DNA-Tumorviren - ähnlich wie bei den Retroviren - die Virus-DNA als Provirus ins Wirtsgenom eingebaut werden kann.
 
Je nach Virenart findet die Virussynthese entweder im Zellkern (z. B. Herpesviren) oder im Zytoplasma (z. B. Pockenviren) statt; der einem Kristallisationsprozess vergleichbare Zusammenbau der Teilchen vollzieht sich im Allgemeinen im Zytoplasma. Bei der Freisetzung erhalten Hüllen tragende Viren die Hülle in der Regel beim Durchtritt durch die Zellmembran.
 
Je nach Virenart kann der zeitliche Verlauf einer Virusinfektion variieren. Bei einer lytischen Infektion kommt es nach Synthese und Freisetzung der Viren zum Absterben der Wirtszelle, bei einer persistierenden Infektion hingegen überlebt die Wirtszelle und teilt sich während der Freisetzung der Viren; bei latenten Infektionen schließlich ist das Virusgenom oder eine DNA-Kopie davon als Provirus in die zelleigene DNA eingebaut und wird auch bei Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben. Erst nach Aktivierung kommt es dann zur Produktion und Freisetzung der Viren. Das Provirus kann zu genetischen Veränderungen der Wirtszelle führen, die Fehler in der Wachstumsregulation und in der Folge die Transformation der Zelle zur Tumorzelle verursachen können (Tumorviren).
 
 
Kriterien zur Klassifikation von Viren sind u. a.: Nukleinsäuretyp (DNA oder RNA), doppel- oder einsträngige Nukleinsäure, Genomgewicht, prozentualer Anteil der Nukleinsäure am Virion sowie seine äußere Form, Wirte und Überträger, Eindringmechanismus, Art der Replikation. Es gibt keine einheitliche Taxonomie, lediglich bei tier- (einschließlich human-)pathogenen Viren und Bakteriophagen wurde eine (jedoch zum Teil bis heute umstrittene) Einteilung in Familie, Unterfamilie, Gattung und Art (einzelnes Virus) vorgenommen.
 
Klinische Bedeutung:
 
Bei Mensch und Tieren sind Viren Erreger leichter bis tödlicher Infektionskrankheiten; sie dringen meist über die Haut sowie über die Schleimhäute der Atmungs-, Verdauungs- und Geschlechtsorgane ein, wobei die Infektion an der Eintrittsstelle lokalisiert bleiben kann oder aber sich über den Körper ausbreitet (generalisierte Infektion; Virämie) und sich dann meist in einem oder mehreren Zielorganen manifestiert. Die Ausbreitung kann über Blutbahn, Lymphbahn oder bei einigen Viren (z. B. Tollwutviren, Herpesviren) entlang von Nervenbahnen vor sich gehen. Je nach Art des Virus und seiner Ausbreitung im Organismus kommt es nach Infektion zu einer nur wenige Tage (Influenzavirus, Rhinovirus) bis zu mehrere Monate oder Jahre (Slow-Virus-Infektionen) dauernden Inkubationszeit. Bei den meisten Virusinfektionen werden die Viren durch die Abwehrreaktionen des Organismus vernichtet, die Infektion ist zeitlich begrenzt; persistierende Virusinfektionen äußern sich beim Menschen als chronische (z. B. Hepatitis B-Viren) oder rezidivierende (z. B. Herpesviren) Infektionen. Viren führen über die Schädigung der Wirtszelle (Degeneration; Zelllyse; Dysfunktion; hohe Syntheseleistungen, die mit dem Stoffwechselbedarf konkurrieren; Transformation) zu Funktionsstörungen der entsprechenden Organe; Krankheitssymptome werden darüber hinaus auch durch immunpathogene Auswirkung der Virenvermehrung (z. B. Immunsuppression, Autoimmunkrankheiten) verursacht sowie durch indirekte Auswirkungen (z. B. Begünstigung von Sekundärinfektionen, Kreislaufschäden). Wichtig für das Verständnis des Verlaufs einer Virusinfektion ist, dass bei Auftreten der Symptome die Wirtszellen bereits geschädigt und Viren freigesetzt worden sind. Der Körper reagiert auf Virusinfektionen mit einer Aktivierung der humoralen und v. a. der zellulär vermittelten Immunität, deren Hauptträger T-Lymphozyten sind; diese aktivieren über die Abgabe von Lymphokinen Makrophagen, die frei werdende Virionen aufnehmen und zerstören; außerdem lysieren sie in Form von Killerzellen Wirtszellen, die Virusantigene tragen. Unspezifische Abwehrreaktionen des Körpers sind v. a. Bildung von Interferon, Fieber, Phagozytose. Virusinfektionen hinterlassen in der Regel eine zeitweilige oder dauerhafte Immunität. Bei ihrer Bekämpfung stehen v. a. prophylaktische Maßnahmen (v. a. aktive und passive Schutzimpfung) im Vordergrund; wirksame Chemotherapeutika zur spezifischen Behandlung von Viruskrankheiten gibt es bislang nur wenige, die Behandlung kann in den meisten Fällen nur symptomatisch erfolgen.
 
Pflanzenviren
 
sind überwiegend RNA-Viren, lediglich die Viren der Phytoreo-Gruppe verfügen über DNA als genetisches Material. Die Übertragung kann mechanisch durch Kontakt erfolgen oder durch spezifische Vektoren mit stechend-saugenden Mundwerkzeugen (z. B. Blattläuse, Fadenwürmer). Die Inkubationszeiten sind sehr unterschiedlich, sie können bei holzigen Pflanzen mehrere Jahre betragen. Die Ausbreitung der Viren von der infizierten Zelle aus geschieht zunächst über die Plasmodesmen zu den Nachbarzellen und dann über die Leitbündel; spezielle Organmanifestationen gibt es bei Infektion durch Pflanzenviren nicht; bevorzugter Ort der Replikation sind das Phloem sowie Parenchym- und Epidermiszellen. Pflanzen besitzen kein Immunsystem, sind jedoch trotzdem zu Abwehrreaktionen befähigt. Die wichtigste ist die Hypersensitivität pflanzlichen Gewebes, die meist zu rascher Nekrose und Absterben des Gewebes rund um die infizierte Zelle führt und die bei frühzeitigem Auftreten die Ausbreitung der Viren verhindern kann. Im Falle der extremen Resistenz kommt es erst gar nicht zu einer Virusreplikation, die befallene Zelle geht sofort zugrunde. Erworbene Resistenz kann entweder als Infektionsimmunität nach vorangegangener Infektion durch dasselbe Virus oder als induzierte Resistenz vorliegen, die auf die Bildung unspezifischer Antiviralfaktoren, vergleichbar den Interferonen, zurückgeführt wird. - Pflanzenviren sind Erreger vieler Pflanzenkrankheiten (z. B. Tabakmosaikviren), die im Kulturpflanzenbau erhebliche wirtschaftliche Schäden anrichten können. Eine unmittelbare Bekämpfung ist nicht möglich; gegen Vektoren werden Insektizide eingesetzt, der Prophylaxe dienen pflanzenhygien. Maßnahmen.
 
 
F. Nienhaus: V., Mykoplasmen u. Rickettsien (1985);
 
Klin. Virologie, hg. v. O. Gsell (1986);
 
Virology, hg. v. B. N. Fields u. a., 2 Bde. (New York 21990);
 S. Modrow u. D. Falke: Molekulare Virologie (1997);
 
Medizin. Mikrobiologie, bearb. v. F. H. Kayser u. a. (91998).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Infektionen durch Viren
 
Infektionskrankheiten durch Bakterien und Viren
 
 2) Informatik: Computerviren.

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Vi|ren: Pl. von ↑Virus.

Universal-Lexikon. 2012.

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